Wissenswertes über Orchideen Teil 1 - Allgemeines Orchis purpurea / Purpur-Knabenkraut
Letzte Aktualisierung:

01. Januar 2024 10:42


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Wissenswertes über Orchideen - Teil 1: Allgemeines

 

Die Juwelen unserer heimischen Flora - Allgemeines

1. Vorwort

Wohl jeder Pflanzenfreund hofft, auf seinen Wanderungen auch Orchideen zu finden. Sie sind die Kostbarkeiten unserer Pflanzenwelt, die, wenn wir sie finden, uns mit großer Freude und Faszination erfüllen. Da Orchideen leider nicht in jeder Region Deutschlands zu finden sind, wird der eine mehr, der andere weniger auch etwas stolz über solch einen Fund empfinden.

Die meisten Orchideen und Orchideenarten wird man nur in Gebieten mit kalkhaltigem Boden finden (z.B. Kaiserstuhl, Schwäbische und Fränkische Alb, Spessart oder Rhön). Dort findet man regional oft sogar riesige Bestände. Hier, im Rhein-Main-Gebiet, sind Orchideen auch zu finden. Doch liegen manchmal nur wenige Kilometer zwischen keinem und häufigeren Vorkommen. Auch, was verschiedene Arten anbelangt, gibt es dies Phänomen. Zum Beispiel habe ich rund um Hattersheim bislang nur die Breitblättrige Stendelwurz gefunden. Nur wenige Kilometer nördlich, an der Grenze zwischen Taunus und Vordertaunus, gibt es dagegen zusätzlich noch Vorkommen von Knabenkräutern (Orchis sp.). Schaut man etwas westlich, so findet man bei Mainz die Bocksriemenzunge; östlich dagegen, auf Frankfurter Stadtgebiet, kommen noch Ragwurz-Arten hinzu. Und etwas südlich von Hattersheim kann man auf den Mönchbruchwiesen Knabenkräuter der Gattung Dactylorhiza entdecken. Doch insgesamt sind alle Bestände von Orchideen im näheren Umkreis von Hattersheim (also etwa Mainz - Main-Taunus-Kreis - Frankfurt, sowie Taunus bis Walldorf) nicht so groß, wie beispielsweise in der Region um Karlstadt am Main. Somit wird ein Hattersheimer eher ein Freudengeschrei beim Finden einer Orchidee anstimmen, als jemand aus Karlstadt am Main.

Da ich ja kein Auto besitze und somit nicht wirklich mobil bin, war mein Aktionsradius sehr eingeschränkt. Lange musste ich mit zwei Arten vorlieb nehmen: Breitblättrige Stendelwurz und Fleischfarbenes Knabenkraut. Die wirklich reichhaltigen und vielfältigen Orchideenbestände in Deutschland blieben unerreichbar - bis 2006. Durch den engen Kontakt mit Anja, die im Stuttgarter Raum wohnt, habe ich seitdem eine Art Basislager für Tagesausflüge zur Schwäbischen Alb. Auch, wenn ich so nur die westlichsten Gebiete erreichen kann, bin ich überglücklich. So konnte ich seit 2006 bei meinen ersten Touren mit Anja in die Regionen um Kirchheim unter Teck einige noch nie zuvor von mir gesehene Orchideen finden und bestaunen. 2007 lernte ich dann Reiner kennen, ein Mitglied des Arbeitskreises heimische Orchideen. Er führte mich in jenem Jahr erstmalig in Gebiete um Karlstadt am Main und Tauberbischofsheim. Dort bekam ich dann noch einmal ganz andere Orchideen zu Gesicht. Seit 2008 ist Nina nun ein zusätzlicher Garant für Ausflüge in botanisch besonders interessante Gebiete und die Zahl der Orchideen (oder anderer seltene Pflanzenarten), derer ich ansichtig werde steigt weiter. Obwohl ich manche Orchidee nun schon zig Mal sah und bestaunte, ist meine Freude, meine Faszination und mein Jubel über jeden Fund nach wie vor ungebrochen.

Viele Orchideen sind selten und einige sogar wahre Raritäten in Deutschland. So wundert es nicht, dass alle heimischen Arten unter Naturschutz stehen und zusätzlich auch noch durch das (Internationale) Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites) streng geschützt sind. Es ist also strengstens und unter Strafe verboten, unsere Orchideen zu pflücken, auszugraben oder sonst wie zu schädigen.

Ich will nun versuchen, Ihnen einen Einblick in das Leben der Orchideen zu geben, die Unterschiede zu anderen Pflanzen erklären und Ihnen natürlich meine bisherigen Funde etwas genauer vorstellen. Begleiten Sie mich nun doch ein wenig in die Welt der heimischen Orchideen.

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2. Lebensbedingungen (Bodenverhältnisse, Keimung, Standorte)

Wie ich schon erwähnte, benötigen viele unserer heimischen Orchideen einen kalkhaltigen Boden. Es gibt aber auch Arten, die kalkarme, oder sogar saure Böden bevorzugen oder auch nur dort wachsen. Ein kleiner Teil Orchideen ist in seinen Bodenansprüchen auch gar nicht besonders wählerisch. Es gibt Orchideen magerer Trockenrasen, als auch nasser Wiesen oder Moore. Andere sind dagegen reine Waldbewohner oder Gebirgsarten. Sie sehen, im Grunde gibt es fast für jeden Lebensraum eine passende Orchideenart. Ich denke, wenn der Mensch nicht solch einen Raubbau mit der Natur betreiben, Wiesen und Weiden nicht so intensiv bewirtschaften und die Natur immer weiter zurückdrängen würde, gäbe es sicher vor fast jeder "Haustüre" Orchideen in größeren Beständen.

Was aber alle Orchideen als Grundbedingung für ihr Leben benötigen, sind bestimmte Bodenpilze - die so genannten Mykorrhizapilze. Denn ohne diese speziellen Pilze können Orchideensamen nicht keimen und andererseits der Pilz nicht leben. Das liegt zum einen daran, dass die Samen im Gegensatz zu denen der meisten anderen Pflanzenfamilien keinerlei Nährgewebe besitzen und auf eine äußere Zufuhr von Nährstoffen angewiesen sind. Andererseits können diese Pilze bestimmte Kohlehydrate (Zucker) nicht selbst aufschließen und sind in dieser Hinsicht auf die Orchidee angewiesen. Diese Pilze infizieren nun quasi den meist staubfeinen, zu Boden gefallenen und aufgequollenen Same und lassen ihm die nötigen Nährstoffe und Wasser zur Keimung zukommen. Ist die erfolgt, kann die Orchidee wachsen. Doch kann es Jahre dauern, bis sie stark und groß genug ist, dem Pilz nun auch zu geben, was er zum Leben benötigt: leicht verdauliche Kohlenhydrate. Sehr wenige  Orchideenarten sind da "egoistischer", sie geben dem Pilz nichts zurück, da sie selbst wegen fehlender Photosynthese keine Zuckerstoffe aufschließen und so dem Mykorrhizapilz auch keine zukommen lassen können. Manche Orchideenart braucht rund zehn Jahre, ehe sie blühfähig wird.

Diese Pilze ermöglichen wegen ihres meist weit reichendem Myzels (quasi das Pendant zu Pflanzenwurzeln) und der Fähigkeit, Wasser zu speichern und an ihren Partner (der Pflanze) weiter zu geben, vielen Arten erst das besiedeln trocken-heißer Standorte. Also: kein Pilz bedeutet: keine Keimung - und keine Keimung bedeutet: keine Orchidee. Besonders diese Mykorrhizapilze sind es, die auf Einbringung von Dünger durch den Menschen empfindlich reagieren und absterben. So kann auch ein einstmals großer Bestand von Orchideen an einem Ort durch Ausbringung von Jauche oder anderem Dünger in wenigen Jahren vernichtet werden. Die Düngung dürfte ohnehin der Hauptgrund für den Rückgang der heimischen Orchideenvorkommen sein. Einige Orchideen benötigen diese Pilze nicht nur zur Keimung, sondern ihr ganzes leben lang und leben in Symbiose (wobei die Verbindung von Pilz und Pflanze richtiger Weise Mykorrhiza heißt) mit ihm. Während die einen ihn eher dazu benötigen, längere Trockenperioden zu überstehen, sind die chlorophyllarmen oder -freien Arten allein durch diese Verbindung lebensfähig. Durch das fehlen von Blattgrün (Chlorophyll) ist es ihnen nicht möglich, selbst Zuckerstoffe (Kohlehydrate) zu "verdauen". Diese zwingend lebensnotwendigen Nährstoffe Kohlen- und Stickstoffe) beziehen diese Arten alleine durch die Mykorrhizapilze. Sie sind eigentlich wie Parasiten, da sie nur nehmen und nichts geben - doch dies ist doch eher eine menschliche Sicht der Dinge.

Diese Mykorrhiza, besser, deren Fehlen, ist es auch, die unerlaubt  ausgegrabene und im eigenen Garten eingepflanzten Orchideenstöcke schnell zugrunde gehen lassen. Zum einen gibt es diese Pilze in den meisten Gärten nicht, zum anderen finden die an den Orchideenwurzeln noch haftenden im Gartenboden nur äußerst selten ihnen zusagende Lebensbedingungen. Diese Unsitte, die dazu noch strengstens Verboten ist, Orchideen in der Natur auszugraben, hat vielerorts ebenfalls (neben der Düngung) zum Rückgang vieler Arten gesorgt. Oft wurden sogar ganze Bestände dadurch völlig ausgerottet. Betroffen davon waren (und sind leider immer noch) besonders große oder großblütige Arten wie zum Beispiel der Frauenschuh.

Orchideensamen haben aber auch eine Eigenschaft, die für die Arterhaltung (unter dem Einfluss des Menschen auf die Natur) sehr von Vorteil ist: sie bleiben oft für viele Jahre im Boden keimfähig. So kann es also geschehen, dass ein einstmals durch Düngung vernichteter Bestand, nach Jahren in denen nicht mehr gedüngt wurde und sich diese eingebrachten Stoffe wieder abbauen konnten, wieder von selbst regeneriert - wenn sich denn die nötigen Mykorrhizapilze in der erholten Erde wieder ansiedeln.

Ungedüngte Wiesen oder gar Böden sind in unserer weitestgehend kultivierten Landschaft sehr selten geworden - und somit die auf sie angewiesenen Orchideen.

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3. Blätter und Blüten

Blätter

Ein geschultes Auge kann Orchideen auch ohne deren unverwechselbaren Blüten an einem Standort finden (wenn auch nicht zwangsläufig einer Art zuordnen). Die Orchideen sind einkeimblättrige Pflanzen (Monocotyledones). Das bedeutet, bei der Keimung treibt nur ein Keimblatt aus (im Gegensatz zu den zweikeimblättrigen Pflanzen, dort sind es immer zwei - wie der Name schon verrät. Alle unsere Baum- und Straucharten sowie die überwiegende Mehrheit unserer Pflanzen, Stauden und Kräuter gehören zu dieser Gruppe). Doch der in der Regel sichtbarste Unterschied zeigt sich im Aufbau der Pflanzenblätter. Während die Blätter zweikeimblättriger Pflanzen (schauen sie sich doch mal ein Blatt von irgendeinem Baum an) von einem fast kreuz und quer verlaufendem Netz aus Blattnerven (-adern) durchzogen sind, gibt es bei Einkeimblättlern nur (zumeist) einen deutlich sichtbaren Blattnerv, der längs das Blatt durchläuft. Genau gesagt sind die Blätter streifennervig, dass ist besonders deutlich bei den ebenfalls einkeimblättrigen Gräsern zu sehen. Andere, sicher allen bekannte Pflanzenfamilien aus der Gruppe der Monocotyledones sind die Mitglieder der Liliengewächse. Also beispielsweise Maiglöckchen, Tulpen, Schnittlauch, Krokus oder Schwertlilien, wobei mich die Blätter der ebenfalls dazugehörigen Herbstzeitlosen am ehesten an Orchideenblätter erinnern.

 

Blüten

Die Blüten der Orchideen sind dagegen einzigartig in unserer Flora. Sie sind nur über die Längsachse spiegelbar (was auch beispielsweise auf Lippenblüter - z.B. Salbei - zutrifft, die aber zu den Zweikeimblättlern gehören) und sind immer aus sechs Blütenblättern aufgebaut - Kelchblätter gibt es im Grunde nicht. Die drei Blütenblätter direkt am Stiel (Sepalen genannt) sind mehr oder weniger miteinander verwachsen und bilden oft  eine Art Kappe, während der innere "Kreis" aus zwei meist seitlich weg gespreizten Blütenblättern - Petalen genannt - besteht (diese können auch sehr klein und verkümmert sein) aus deren Mitte das sechste, zu einer Lippe oder auch einer Art "Wanne" geformte, entspringt. Dieser Aufbau: drei Sepalen, zwei Petalen und einer Lippe, ist (von der Symmetrie abgesehen) einzigartig. Die Lippe ist bei vielen Arten das wichtigste Unterscheidungsmerkmal. Hier sind zum Verständnis einmal drei Beispiele:

a) Zu einer "Kappe" verwachsene Sepalen, weit gespreizte Petalen und eine schmale Lippe

b) Große, gespreizte Sepalen, verkümmerte Petalen und eine breite Lippe

c) Sepalen und Petalen in Form und Farbe fast identische, Lippe zu einer "Wanne" geformt

Ein weiterer Unterschied zu Blüten anderer Pflanzenfamilie stellen die zu einem kleinen Säulchen verwachsenen Narben, (2)Staubblätter und (1)Griffel. Darin untergebracht ist ein gattungsspezifischer Mechanismus, der die Blüte besuchende Insekten mit Pollen bestäubt, beziehungsweise ihnen gleich ganze Pollenpakete anklebt. An einen Standort mit reichlich Knabenkräutern sieht man etwa nicht selten Bienen mit leuchtend orange gefärbten Pollenpäckchen auf der Stirn herum fliegen. Als Bestäuber kommen neben Bienen noch andere Insektenarten wie Hummeln, Wespen, Fliegen, Tag- und Nachtfalter oder auch Ameisen in Betracht - das hängt ganz von der Orchideenart ab. Manche Orchideen imitieren mit ihren Blüten auch bestimmte Insekten um diese anzulocken. Dazu zählen insbesondere die Ragwurz-Arten. Die Größenpalette der Blüten reicht, je nach Art von wenigen Millimetern bis zu den ein paar Zentimetern messenden Frauenschuhblüten. Auch farblich gibt es Vielfalt. Von völlig unscheinbar grünlich oder bräunlich über weiß und gelb zu den verschiedensten Rosa-, und Rottönen. Doch nicht immer sind Insekten als Fremdbestäuber zur Vermehrung nötig, viele Arten können sich auch selbst Befruchten. Ein häufiges Phänomen bei einigen Arten ist die Bastardisierung mit anderen Arten und so entstanden und entstehen immer wieder Mischlinge.

Natürlich duften auch einige Orchideenblüten. Der bekannteste Duft einer Orchidee ist ihnen sicher allen vertraut: es ist Vanille. Die Echte Vanille ist eine tropische, auf Bäume kletternde Orchidee. Unter unseren heimischen gibt es aber auch einige Arten, die zumindest nach Vanille riechen, obgleich sie nicht wie ihre exotische Verwandte verwendet werden können. Andere Duftnoten sind etwas honigartig oder an Maiglöckchen erinnernd - oder sie sind einfach auf ihre Art wohlriechend. Es gibt auch "Stinker" unter den Schönen. Allen voran die Bocksriemenzunge mit ihrem Ziegenbockgeruch.

Hauptblütezeit unserer Orchideen ist der Spätfrühling - so etwa von Mitte Mai bis Anfang Juni. Den Blütenreigen eröffnet wohl das seltene Kleine Knabenkraut Ende April, dem folgen weitere Knabenkräuter bis dann gegen Pfingsten das "Massenblühen" der Arten einsetzt (z.B. Frauenschuh, Bocksriemenzunge, die meisten Knabenkräuter und Ragwurz-Arten). Etwas später, etwa Mitte Juli lösen dann die meisten Stendelwurz-Arten diese Zeit ab. Den Abschluss der Orchideenblüte bildet die Herbst-Drehwurz Ende August / Anfang September.

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Das war nun der erste, trockene und theoretische Teil mit allgemeinen Informationen zu diesen faszinierenden Pflanzen. Der zweite Teil ist ja genau betrachtet ebenfalls Theorie, aber wesentlich bunter und prächtiger, denn dort stelle ich ja meine bisher gefundenen Arten vor - natürlich mit Fotos.

Mit einem Klick auf diesen Link hier, kommen Sie sofort dorthin.

 

© 2008 by Andreas Haselböck

 
 

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Stand: 01. Januar 2024